Wie viele Verwandte habe ich eigentlich - und ist Karl der Große mein Vorfahr?

How many relatives do I actually have - and is Charlemagne my ancestor?

Ein kleiner Exkurs, die Anzahl meiner Verwandten zu errechnen, damit ich weiß, wie viele mir noch in meiner Genealogie fehlen.

A short excursion on the number of my relatives, so that I know how many I am still missing in my genealogy.

 

English Version

Deutsche Version:

Die kurze Antwort ist, zwischen 2 und unendlich. Es hängt davon ab, wie viele Generationen man zurückblickt.

Manche Familienforscher fühlen sich als etwas Besonderes, nachdem sie eine Vorfahrenlinie zu Karl dem Großen gefunden haben. Karl der Große lebte im Jahr 800, also vor 1200 Jahren. Genealogen setzen eine Generation im Durchschnitt mit 30 Jahren an, also lebte er vor 40 Generationen. Jeder von uns hat zwei Eltern, vier Großeltern, acht Urgroßeltern, 16 Ururgroßeltern. Das heißt 2^1 Eltern, 2^2 Großeltern, 2^3 Urgroßeltern, 2^4 Ururgroßeltern usw.. 40 Generation rückwärts hatten wir jeder 2^39 Vorfahren, das sind 550 Milliarden Menschen. Damals lebten aber in Mitteleuropa nur 50 Millionen Menschen.

Also kommt jeder der damaligen Einwohner, bezogen auf das Jahr 800, bei jedem von uns im Mittel 10.000 mal als Ahne vor. Demnach ist die Wahrscheinlichkeit, dass Karl der Große bei einem von uns statt 10.000 mal nur zehnmal vorkommt, weit unter ein Promille. Die Wahrscheinlichkeit, dass bei einem von uns Karl der Große überhaupt nicht als Vorfahre vorkommt, ist de fakto Null. Also können wir davon ausgehen, dass jeder von uns ein Nachfahre von Karl dem Großen ist. Offen ist nur, welche der 500 Milliarden Vorfahrenlinien zu Karl dem Großen führen.

Manche Genealogen meinen, dass ca. 50% von uns Karl den Großen überhaupt nicht als Vorfahren haben, und die anderen 20.000 fach, weil ein Teil der Menschen sicher vom Zufluss adliger Vorfahren ausgegrenzt war, z.B. Tagelöhner usw. Wenn man sich aber verschiedene Stammbäume anschaut, hatten sie 40 Generationen rückwärts Karl den Großen vielfach als Vorfahren, aber ebenso viele Vorfahren waren Tagelöhner, Mägde usw.. Man findet viele Verbindungen aus Tagelöhnertochter und Bauernsohn, dann von ihrem Enkel mit einer adligen Person, usw. Von diesen Daten her muss man heftig der Vorstellung widersprechen, dass einer von uns  n i c h t  von Karl dem Großen abstammt. Andere Genealogen meinen, dass Karl der Große statt 21 Enkel nur zwei gehabt habe und also unterdurchschnittlich wenige mitteleuropäische Nachfahren habe. Selbst dann müsste Karl der Große immer noch im Mittel 1000fach der Vorfahre jedes einzelnen von uns sein, und die Wahrscheinlichkeit, dass einer von uns nicht von Karl dem Großen abstammt, ist immer noch de fakto Null.

„Ahnenschwund“ und Verwandtenehen.  Dass beim Blick von heute nach rückwärts statt 500 Milliarden Vorfahren sich nur 50 Millionen verschiedene Individuen finden, wird gemeinhin als „Ahnenschwund“ bezeichnet. Bei umgekehrter Betrachtung vom Jahr 800 nach heute hin, wurden 500 Milliarden Vorfahren durch nur 50 Millionen dargestellt, die über viele Generationen immer wieder miteinander Kinder zeugen mussten.

Der Ahnenschwund ist umso größer, je mehr zurückliegende Generationen man betrachtet. Ebenso ist der Ahnenschwund in Adelsfamilien größer, als im übrigen Teil der Bevölkerung, da man bis heute gerne standesgemäß heiratet und so zwangsläufig gleiche Ahnen mehrfach vorkommen. In Adelsfamilien beträgt der Ahnenschwund in der 12. Generation nachweislich bereits ca. 80%, d.h. es gibt nur 20% der theoretisch errechneten Anzahl Ahnen. Für meinen Stammbaum gehe ich davon aus, dass der Ahnenschwund bei 10 Generationen noch gering ist, da für diesen Zeitraum, also ca. ab Mitte des 17. Jahrhunderts, die Bevölkerungsbasis schon relativ groß war und keine nennenswerte „Kreuzung“ meiner verschiedenen Linien stattgefunden hat. Wenn ich so 10 Generationen (* 30 Jahre) auf das Jahr 1658 zurückblicke, müsste ich also ohne Ahnenschwund ca. 2^10 = 1024 Ahnenlinien haben. Das heißt, wenn ich 10 Generationen zurückblicke, stamme ich von 1024 verschiedenen Familien (und damit theorteisch 1024 Nachnamen) ab. Wenn ich 20 Generationen bis Mitte des 14. Jahrhunderts zurückblicke, muss ich wohl - konservativ gerechnet - mit einem Ahnenschwund von 70% rechnen. Das bedeutet, dass ich, bezogen auf das späte Mittelalter (Mitte des 14. Jahrhunderts), vielleicht ca. 2^20 * 30% = 314.572 (anstelle von theoretisch 1.048.576) unterschiedliche Ahnenlinien hätte. Ahnenlinien heißt unterschiedliche Individuen in der 20. Generation, nicht die Summe aller Vorfahren, das wären dann noch zusätzlich alle dazwischenliegenden Ahnen.

Wenn man nun nicht nur seine Ahnen erforscht, sondern auch sämtliche derer Nachkommen – so wie ich es tue -, wird die Sache noch etwas komplizierter. Hier muss man ebenfalls mehrere Annahmen treffen. Wie viele Kinder hatten die Familien in der jeweiligen Zeit, wie viele davon haben überlebt und wie viele haben selbst wiederum Nachkommen? Obwohl die Familien jahrhundertelang bis zu 8 Kinder und mehr hatten, kann man die Anzahl Nachkommen nicht mit dieser Anzahl Kinder berechnen. Für eine vereinfachte und zugleich konservative Rechnung kann man pro Paar von jeweils etwas mehr als 2 Kindern jeweils mit Nachkommen ausgehen. Das entspricht auch der relativ konstanten Bevölkerung in Europa. Dann sieht die Rechnung (hier der Einfachheit halber mit zwei Kindern gerechnet) ohne die angeheirateten Partner folgendermaßen aus:

Generation 1: 2 Eltern (G1) + 2 Kinder (G0) = 4 Verwandte
Generation 2: 4 Großeltern (G2) + 4 Kinder (G1) + 6 Kinder (G0) = 14 Verwandte
Generation 3: 8 Urgroßeltern (G3) + 8 Kinder (G2) + 12 Kinder (G1) + 22 Kinder (G0) = 50 Verwandte
...
Generation 10: 1024 Ahneneltern (G10) + … = 700.074 Verwandte

Wenn man nur zwei Generationen weiter zurückblickt, also 12 Generationen oder 360 Jahre bis an den Beginn des 17. Jahrhunderts, sind es schon 5.596.500 Verwandte. 12.000 habe ich schon gefunden.

In Deutschland gibt es übrigens ca. 300.000 verschiedene Nachnamen. Mit 4500 von denen bin ich bisher (2015) verwandt.

Es werden zunehmend genealogische DNA Tests angeboten, um z.B. die eigene Abstammung von "den Phöniziern" oder "den Wikingern" und andere Zusammenhänge nachzuweisen. Wie sinnvoll ist das? Wenn wir nur 750 Jahre ins Mittelalter zurückgehen, also etwa 30 Generationen, hat jeder von uns rechnerisch zwei hoch dreißig Vorfahren. Also eine Milliarde. Mit der Analyse der väterlichen oder der mütterlichen Linie erfährt man aber keineswegs etwas über "die Vorfahren". Sondern mathematisch über genau einen oder maximal zwei davon. Nämlich den Ur-mal-30-Großvater oder die Ur-mal-30-Großmutter, die dieses Gen weitergegeben haben. Über die 999 999 998 anderen Vorfahren erfährt man nichts.

Ok, jetzt höre ich mit den Zahlenspielereien auf. Es gibt noch viel zu tun!

 

English Version:

The short answer is between 2 and infinity. It depends on how many generations you look back.

Some genealogists feel as something special, after they have found a line of ancestors to Charlemagne. Charlemagne lived in the year 800, about 1200 years ago. Genealogists put an average of 30 years on a generation, so he lived 40 generations ago. Each of us have two parents, four grandparents, eight great-grandparents, 16 great-grandparents. That is 2 ^ 1 parents, 2 ^ 2 grandparents, 2 ^ 3 great-grandparents, 2 ^ 4 great-great grandparents and so on. 40 generations ago each of us would have had 2 ^ 39 ancestors, which is 50 billion. But at that time only 50 million people lived in Central Europe. So at the level of the year 800 each of the former inhabitants comes to each of us as on average 10,000 times as an ancestor. Accordingly, the probability that occurs for each one of us at 10,000 times only ten times is well below one per thousand. The probability that one of us Charlemagne does not occur as an ancestor, is de facto zero. So we can assume that each of us is a descendant of Charlemagne. It only is open which of the 500 billion ancestor lines leads to Charlemagne.

Some genealogists believe that approximately 50 % of us did not have Charlemagne as an ancestor at all, and the other 20,000 times this occurred because some of the people were certainly excluded from the inflow of noble ancestors, e.g. day laborers, etc. However when looking at different genealogies about 40 generations back Charlemagne was quite often as an ancestor, just as many ancestors were day laborers , maids , etc., you find many alliances from day laborers daughter and son of a farmer, and by her grandson with a noble person, etc. Seeing this data, you must vehemently disagree with the idea that one of us is not derived from Charlemagne.

Other genealogists believe that Charlemagne had only taken two instead of 21 grandchildren and thus, have on average fewer Central European descendants. Even then on average Charlemagne would still have 1000 times the ancestor of every one of us, and the probability that one of us is not derived from Charlemagne, is still de facto zero.

"Ancestral loss" and consanguineous marriages. When looking back, instead of finding 500 billion ancestors, you’ll only find 50 million different individuals. This is commonly referred to as "ancestral loss" or “pedigree collapse”. Referred to the year 800, 500 billion ancestors were represented by only 50 million, which had for many generations testified again and again with each other children. The ancestral loss is greater, the more you look back into the generations. Likewise, the ancestral loss in noble families is larger than in the rest of the population they like to married befittingly consequently there are multiple same ancestors. In aristocratic families the ancestral loss in 12 generations has already been seen to be approximately 80 %. That is, there are only 20% of the theoretically calculated number of ancestors. For my family tree, I assume that the ancestral loss in 10 generations is still low, since for this period, around the middle of the 17th century, the population base was relatively large, and there has been no large "intersection" of my various lines. If I look back 10 generations (* 30 years ) to the year 1658, I would probably have no ancestors loss and approximately 2 ^ 10 = 1024 ancestor lines. With other words, looking back 10 generations, I descend from 1014 different families. If I look back 20 generations until the mid-14th Century , I probably have to calculate conservative estimated with an ancestor loss of 70 %. This means that related to the Middle Ages ( mid 14th century ), I would have perhaps about 2 ^ 20 * 30% = 314,572 (instead of theoretically 1,048,576) different ancestor lines. Ancestor lines means different individuals in generation 20, not the total sum of ancestors. To get the total sum you would have to add all the ancestors between you and generation 20.

If we now not only research your ancestors, but also all of those descendants – what I am doing, the matter becomes even more complicated. Here, one must make several assumptions. How many children had families in the particular time? How many of them have survived and how many have in turn offspring? Although the families for centuries had up to eight or more children, you cannot calculate the number of progeny with this number of children. For a simplified and at the same time very conservative calculation, one can start per pair with 2 children offspring each (actually a little bit more than 2). This also corresponds to the relatively constant population in Europe. Then, the calculation looks without the in-laws partner as follows:

Generation 1 : 2 parents (G1) + 2 children (G0) = 4 relatives
Generation 2 : 4 grandparents (G2) + 4 children (G1) + 6 children (G0) = 14 relatives
Generation 3 : 8 great-grandparents (G3) + 8 children (G2) + 12 children (G1) + 22 children (G0) = 50 relatives
...
Generation 10: 1024 ancestry parents (G10) + ... = 700,074 relatives


If you continue to look back only two more generations, ie 12 generations or 360 years up to the beginning of the 17th century I have around 5,596,500 relatives. 12,000 of them I already have found.

There are about 300,000 different surenames in Germany. With 4500 of them I am related up to now (2015).

There are increasingly genealogical DNA tests offered to prove their own descent from "the Phoenicians" or "the Vikings" and other contexts. Does this makes sense? If we go back 750 years to the medieval, so about 30 generations, each of us has 2^30 ancestors. So one billion. With the analysis of the paternal or the maternal line one does not learn about "the ancestors". But mathematically accurate just about one or two of them. Namely, the great-times-30-grandfather or great-times-30-grandmother, who passed on this gene. About the 999 999 998 other ancestors one learns nothing.

Now I'll stop with the number crunching. Quite some work ahead!

 

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Hinweise bitte an / Please contact: ancestry (at) tiemohollmann.de

Quelle für Teile / Source for parts: Peter Chr. Clemens, Priv. Doz. Dr.med.habil, Verein für Mecklenburgische Familien- und Personengeschichte e. V.

Genealogy of Tiemo Hollmann, 13.09.2015